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%T Neurobiologie als Hilfswissenschaft der Strafjustiz? Zur Psychopathologisierung terroristischer Taten
%A Böllinger, Lorenz
%J Psychologie und Gesellschaftskritik
%N 4/1
%P 25-51
%V 38/39
%D 2015
%K Bildgebende Verfahren; Forensische Psychiatrie; Strafjustiz; Neuro-Biologie; Psychopathie; Einzelfallanalyse
%@ 0170-0537
%> https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-56881-1
%X Im aktuellen Diskurs über "Psychopathie", Neuro-Biologie und bildgebende Verfahren spiegeln sich Machtverhältnisse. Schon lange existiert zwischen Forensischer Psychiatrie und Strafjustiz ein funktionales Einverständnis: die meisten schweren Gewalt- und Sexualdelikte werden zwar als Symptom schwerwiegender Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Gleichwohl wird Schuldfähigkeit attestiert. Gefährlichkeitsdiagnostik und -prognostik sollen nun mit Hilfe der Neurobiologie bzw. bildgebender Verfahren effektiviert werden. Unter Einbeziehung der Erkenntnis, dass auch hochgradig sozial-schädliche, jedoch systemkonforme Verhaltensweisen von Manageinnen und Politikern in diesem Sinne symptomatisch sein können ("successful psychopaths"), wird diese Tendenz kritisiert. Mit schlichten Anlage-Umwelt-Theorien, auf denen solche Verfahren beruhen, können Persönlichkeitsstörungen nicht hinreichend erklärt werden. Die komplexen neuro-biologischen Funktionszusammenhänge interagieren im Lebenslängsschnitt prozesshaft mit sozialen Variablen, wie auch durch Erkenntnisse über Neuroplastizität, Gen-Expression und Epigenetik belegt wird. Auch auf frühkindliche Traumatisierung abstellende psychoanalytische Theorien sind zu ätiologisch begrenzt. In jedem Einzelfall ist eine komplexe, interaktionistische, sozio-psychodynamische Prozessanalyse der konkreten Borderline-Störung erforderlich, welche die Dimensionen Individuum - Situation - Gesellschaft umfasst. Es ist schon rein theoretisch und erst recht ermittlungspraktisch sowie forensisch unmöglich, die entsprechende Komplexität durch bildgebende Verfahren der neueren Hirnforschung zu erfassen, daraus Schlüsse für die Schuldfähigkeit zu ziehen oder sie gar prognostisch und präventiv zu wenden.
%X Current neuro-biological and -imaging discourse represents societal power relations. For a long time there has been a collusion between Forensic Psychiatry and the Criminal Justice System amounting to the exclusion of insanity defense in cases of severe violent and sexual crimes resulting from personality disorder. Neuro-biology oriented psychiatrists are now suggesting to employ neuro-imaging in diagnosis and prognosis of dangerous behavior. Pointing out the highly destructive but socially accepted behavior of managers and politicians can also be symptomatic in that sense ("successful psychopaths"), this tendency is criticized. Severe forms of personality disorder cannot be sufficiently explained by simple nature-nurture theories. Complex neuro-biological functions interact with social variables anywhere on life paths. Insights about neuro-plasticity, gene expression and epigenetics also prove this. Psychoanalytic early childhood traumatization theories are etiologically limited, too. Every single case demands concrete, complex, interactionist, socio-psychodynamic process analysis, integrating individual, situative and societal dimensions. Theoretically, in law enforcement and forensically, it proves impossible to represent this complexity via neuro-imaging, to draw consequences with respect to culpability, or to utilize it prognostically or preventively.
%C DEU
%G de
%9 journal article
%W GESIS - http://www.gesis.org
%~ SSOAR - http://www.ssoar.info