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@article{ Sparenberg2007,
 title = {The oceans: a utopian resource in the 20th century},
 author = {Sparenberg, Ole},
 journal = {Deutsches Schiffahrtsarchiv},
 pages = {407-420},
 volume = {30},
 year = {2007},
 issn = {0343-3668},
 urn = {https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-55886-1},
 abstract = {Der Aufsatz folgt einem kulturgeschichtlichen Ansatz und fragt nach Wahrnehmungen und Vorstellungen vom Meer und den Bedeutungen, die ihm zugewiesen wurden. Dargestellt werden drei Gegenstandsbereiche, in deren Rahmen sich mit dem Meer als Quelle politischer Macht sowie biologischer und mineralischer Ressourcen weitreichende, oft utopische Erwartungen verbanden, die sich jedoch regelmäßig nicht erfüllten. Bei diesen drei Gegenstandsbereichen handelt es sich um die deutsche Flottenrüstung unter Alfred von Tirpitz ab 1898, Fischerei und Walfang als Teil der nationalsozialistischen Autarkiepolitik in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, und schließlich das Projekt des Tiefseebergbaus nach Manganknollen seit den 1960er Jahren. Die Tirpitzsche Flottenrüstung wird hier abweichend von der in den 1970er Jahren geprägten Lesart nicht als antiparlamentarische Krisenstrategie verstanden, sondern als ein bürgerliches Projekt, das in der Tradition der Flottenbewegung von 1848 Seemacht mit zentralen Werten des Bürgertums wie der Einheit der Nation und dem Liberalismus assoziierte. Die vom Bürgertum getragene Flottenbegeisterung erscheint so im Kaiserreich als systemimmanente Bewegung, die außenpolitische Machtentfaltung, wirtschaftliche Modernisierung und innenpolitische Reformen verbinden wollte. Nachdem sich die Tirpitz-Flotte im Ersten Weltkrieg als Fehlkalkulation erwiesen hatte, verbanden sich in Deutschland weitreichende Hoffnungen mit dem Meer erst wieder im Rahmen der nationalsozialistischen Autarkiepolitik. Hier erschienen die Ozeane als der ideale wirtschaftliche Ergänzungsraum, um die Lücke zwischen Deutschlands Fett- und Proteinbedarf und der Produktion der eigenen Landwirtschaft ohne Devisenausgaben zu schließen. Teil dieser Hoffnung auf das Meer als deutsche Kolonie war die Vorstellung, dass die Fisch- und Walbestände praktisch unerschöpflich seien. Die Vorstellung unendlicher mariner Ressourcen kam erneut Ende der 1960er Jahre auf internationaler Ebene auf. Diesmal richteten sich die Hoffnungen auf Manganknollen auf dem Tiefseeboden. Vor dem Hintergrund einer befürchteten Erschöpfung der kontinentalen Erzlagerstätten versprach der Tiefseebergbau nach Manganknollen unbegrenzte Mengen wirtschaftlich wichtiger Metalle. Diese Hoffnungen gewannen eine zusätzliche politische Dimension, da bis dahin kein Staat Ansprüche auf die Tiefsee erhoben hatte. Viele Drittweltstaaten, aber auch Stimmen in den westlichen Gesellschaften forderten nun, den Tiefseebergbau unter UN-Aufsicht zu stellen und mit einem Transfer des Know-hows und der Gewinne an ärmere Staaten zu verbinden. Angesichts der erwarteten zentralen Rolle des Tiefseebergbaus für die künftige globale Rohstoffversorgung hoffte man auf dieser Grundlage eine neue und gerechte Weltwirtschaftsordnung errichten zu können. Diese drei Projekte verbindet, dass das Meer jeweils als Ausgangspunkt für weitreichende, letztlich nicht einlösbare Erwartungen diente. Weiterhin finden sich von drei bestimmten Vorstellungen des Meeres jeweils zumindest zwei in allen drei Zusammenhängen: Es handelt sich erstens um das Versprechen unbegrenzter Ressourcen, zweitens um die Hoffnung auf politische Reformen, die mit der Nutzung der Ozeane verbunden wird, und drittens um die Wahrnehmung des Meeres selbst als grenzenlos und unendlich, so dass die Grenzen der Nutzung und die Möglichkeit von Konflikten der Nutzer leicht ausgeblendet wurden.},
}