Download full text
(external source)
Citation Suggestion
Please use the following Persistent Identifier (PID) to cite this document:
https://doi.org/10.14765/zzf.dok-2674
Exports for your reference manager
Die "Wende" als Form der Kolonisierung? Zur Genese und Aktualität eines populären Deutungsschemas
[journal article]
Abstract Bei der Lektüre des 2023 erschienenen Bestsellers "Der Osten: eine westdeutsche Erfindung" von Dirk Oschmann sowie beim Nachvollzug der bisweilen heftigen Diskussionen, die dieses Buch ausgelöst hat, bekommt man unweigerlich das Gefühl, einer Orientalismus-Debatte 2.0 beizuwohnen. Zur Erinnerung: Ed... view more
Bei der Lektüre des 2023 erschienenen Bestsellers "Der Osten: eine westdeutsche Erfindung" von Dirk Oschmann sowie beim Nachvollzug der bisweilen heftigen Diskussionen, die dieses Buch ausgelöst hat, bekommt man unweigerlich das Gefühl, einer Orientalismus-Debatte 2.0 beizuwohnen. Zur Erinnerung: Edward Saids 1978 publiziertes Buch "Orientalism", in dem ausgehend von primär wissenschaftlicher Wissensproduktion die koloniale Zurichtung und Erfindung des Orients beschrieben und kritisiert wird, gilt gemeinhin als einer der Gründungstexte postkolonialer Kritik. Tatsächlich lesen sich die Ausführungen des Leipziger Literaturwissenschaftlers Oschmann stellenweise so, als ob Ostdeutschland und die Ostdeutschen einem westdeutschen Zugriff quasi hilflos ausgeliefert wären. Gerade diese Zuspitzung wurde von einigen Kommentator*innen kritisiert, ähnlich wie bei der Orientalismus-Debatte im Anschluss an Said. Überhaupt fällt auf, dass Oschmann, wenngleich er sich nicht systematisch mit postkolonialer Theorie auseinandersetzt, so etwas wie eine postkoloniale Rhetorik in Anschlag bringt. Zum Beispiel heißt es an einer Stelle, "dass die Art und Weise, was und wie über 'den Osten' öffentlich geredet, geschrieben und gesendet wird, in Form von konstant negativen Identitätszuschreibungen und Essentialisierungen, komplett vom 'Westen' beherrscht und durchherrscht ist". Zudem fällt auf, dass zwar auch der Kolonisierungsbegriff nicht systematisch zum Einsatz kommt, gleichwohl aber der Kolonialismus als historische Referenz erwähnt wird: "Dem Osten […] 'Demokratiefeindlichkeit' vorzuwerfen, ist nicht nur zynisch, sondern folgt obendrein einem seit Jahrhunderten eingeführten Herrschafts- und Diskursmuster, mit dem der westliche Kolonialismus verschiedener Couleur seine Hegemonie zu begründen sucht." Ostdeutschland also als westdeutsche Kolonie? Und postkoloniale Kritik als Analyse-Tool für postsozialistische Dynamiken?... view less
Keywords
German Democratic Republic (GDR); reunification; post-socialist country; discourse
Classification
General History
Document language
German
Publication Year
2023
Page/Pages
p. 161-180
Journal
Zeithistorische Forschungen / Studies in Contemporary History, 20 (2023) 1
Issue topic
Ausweisen - Rückführen - Abschieben
ISSN
1612-6041
Status
Published Version; peer reviewed