Volltext herunterladen
(128.6 KB)
Zitationshinweis
Bitte beziehen Sie sich beim Zitieren dieses Dokumentes immer auf folgenden Persistent Identifier (PID):
https://doi.org/10.21241/ssoar.99171
Export für Ihre Literaturverwaltung
Der menschliche Körper zwischen technischer Überwindung und irdischer Verwurzelung: Polarisierte Körperbilder in Trans- und Posthumanismus
[Konferenzbeitrag]
Körperschaftlicher Herausgeber
Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS)
Abstract Nicht erst mit der Anthropozändebatte, welche sich als diskursive Einhegung der massiven geosystemischen Disruptionen des 20. und 21. Jhd. verstehen lässt, ist deutlich geworden, dass die etablierten modernen Heuristiken, welche 'den Menschen' gegen- und über 'der Natur', respektive der Erde, dem Pl... mehr
Nicht erst mit der Anthropozändebatte, welche sich als diskursive Einhegung der massiven geosystemischen Disruptionen des 20. und 21. Jhd. verstehen lässt, ist deutlich geworden, dass die etablierten modernen Heuristiken, welche 'den Menschen' gegen- und über 'der Natur', respektive der Erde, dem Planeten oder der Welt verorten, nicht länger zur Beschreibung der sozialen Wirklichkeit geeignet sind. Paradoxerweise erscheint gerade im epochalen Zeitalter des Menschen, die namensgebende und orientierungsstiftende Figur, der Anthropos, sowohl epistemologisch wie ontologisch an ihr Ende gekommen zu sein. Diese multiplen Auflösungserscheinungen des Humanen lassen sich dabei auch und gerade an den unterschiedlichen Anforderungen, Erwartungshaltungen, Kompositionen und Modifikationen des menschlichen Körpers ablesen. Dieser Beitrag versucht deshalb anhand einer Gegenüberstellung, der Kontrastierung polarisierter Körperbilder in Trans- und Posthumanismus, eine Kartierung der onto-epistemologischen Erschütterungen und Verwerfungslinien des neuzeitlichen Humanismus vorzunehmen. So wird die sozio-historisch relative junge Erfindung des Menschen in der Epistemologie westlicher Gesellschaften sowie ihr mögliches Verschwinden in den Gezeitenströmen bereits in Foucaults berühmtem Worten am Ende seines Werks Les mots et les choses von 1966 zum Ausdruck gebracht. Doch drückt sich diese nachgewiesene Kontingenz der humanen Figur zu Beginn des 21. Jahrhunderts nun nicht mehr nur im Wandel der Denkformen aus, sondern gewinnt durch die radikalen Transformationen der irdischen Umwelt eine noch existenziellere Bedeutung. Die Zunahme von Extremwetterereignissen, das Entfalten der Klimakatastrophe, das sich Abzeichnen des Ökosystemkollaps sowie das sich global vollziehende sechste Massenaussterben sind nur einige Herausforderungen, welche sich mittels humanistischer Heuristiken und damit einem Weltverständnis, das auf der Logik des moderner Anthropozentrismus basiert, kaum mehr fassen geschweige denn bearbeiten lassen. Folglich emergieren verschiedene Programme, um die prekär gewordene 'Erfindung Mensch' zu retten oder zu redigieren, in jedem Fall aber neu zu situieren. Trans- und Posthumanismus sind dabei wohl die prominentesten Strömungen, die sich dieser Resituierung verschrieben haben. Und beide setzen in ihren Neuverhandlungen des Humanen insbesondere an der Körperlichkeit an. So streben transhumanistische Programme danach, die vulnerable und durch blinde evolutionäre Prozesse hervorgebrachte 'wetware' (de Grey) mittels technologischer Upgrades zu optimieren. Kryonisierung, genetische Modifikation, technologisches Enhancement und nicht zuletzt die Digitalisierung der sterblichen Hülle stellen antizipierte Interventionen von Transhumanist:innen wie Bostrom, Kurzweil, More und Tipler dar. Der Körper erscheint hierbei als maximal modellierbar, als beliebig zu programmierendes und gar zu überwindendes Residuum einer als Beschränkung empfundenen (ersten) Natur. Posthumanistische Positionen plädieren im Gegensatz dazu vor allem für eine strukturelle 'embeddedness und embodiment' (Hayles, Braidotti) menschlicher und nicht-menschlicher Subjekte. Der Körper wird dabei als vitaler Knotenpunkt multipler 'companion species' (Haraway), als Produkt 'intraaktiver und relationaler' (Barad) Beziehungsverhältnisse, als sozio-materielles 'Stratifikat' (Deleuze/Guattari) oder gar als 'vibrational structure' (Ferrando) eines mehrdimensionalen Multiversums konzipiert. Allen posthumanistischen Körperkonzepten ist dabei ein korporeales Verständnis zu eigen, welches eine materielle Verwurzelung bzw. Verortung erst zur Voraussetzung diverser Daseins- und Werdensmöglichkeiten macht, wobei die konkrete Zusammensetzung, die spezifische Assemblage zur indisponiblen Bedingung sozialer Teilhabe an einer mehr-als-menschlichen Realität wird. Anhand dieser polarisierten Konzeptionen und Bewertungen anthropogener Verkörperungen lassen sich so die fundamentalen Verschiebungen der humanistischen Heuristiken nachvollziehen, welche eine notwendige Resituierung des menschlichen auf dem irdischen Körper versuchen.... weniger
Thesaurusschlagwörter
Klimawandel; Umweltkrise; Körpersoziologie; Wissenssoziologie; Körperbild
Klassifikation
Philosophie, Theologie
Freie Schlagwörter
Anthropozän; Klimakrise; Posthumanismus; Transhumanismus
Titel Sammelwerk, Herausgeber- oder Konferenzband
Polarisierte Welten: Verhandlungen des 41. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2022
Herausgeber
Villa, Paula-Irene
Konferenz
41. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie "Polarisierte Welten". Bielefeld, 2022
Sprache Dokument
Deutsch
Publikationsjahr
2023
ISSN
2367-4504
Status
Veröffentlichungsversion; begutachtet