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%T Eskalation: Dynamiken der Gewalt im Kontext der G20-Proteste in Hamburg 2017
%A Malthaner, Stefan
%A Teune, Simon
%A Ullrich, Peter
%P 94
%D 2018
%K G20; Group of Twenty; Protestforschung; Protest Policing; Gipfelproteste; prozessuale Erklärung
%> https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-58953-9
%X Die Ereignisse um den G20-Gipfel im Juli 2017 haben viele Menschen
schockiert und die Hamburger Stadtgesellschaft gespalten. Sie stehen in
starkem Kontrast zu dem Sicherheitsversprechen, das der Senat im Vorfeld
abgegeben hat, ebenso wie zu der Ankündigung, der Gipfel werde ein
„Festival der Demokratie“. Dass ein Gipfelprotest in Unruhen mit breiter
Beteiligung überging aber auch das teils gewaltsame polizeiliche Vorgehen
gegen Protestierende ist erklärungsbedürftig. In der anhaltenden Diskussion
über die Hintergründe der Auseinandersetzungen werden zumeist
entweder die Polizei oder „gewaltbereite Gruppen“ für das Ausmaß der
Gewalt verantwortlich gemacht. Letzteres lässt sich jedoch nur bedingt aus
Motiven und vorgefassten Plänen bestimmter Akteure ableiten. Ein großer
Teil der Gewalt entsteht – dies gerät allzu oft aus dem Blick – maßgeblich
in Prozessen der Eskalation, in denen die Handlungen der verschiedenen
Beteiligten miteinander verflochten sind, insofern sie auf Grundlage ihrer
Deutung vorangegangener Erfahrungen und ihrer Wahrnehmung des Gegenübers
aufeinander reagieren. Situationen der Gewalt haben zudem ihre
eigene, in manchen Fällen kaum steuerbare, Dynamik.
Der Bericht rekonstruiert, wie und warum die Gewalt in Hamburg in dieser
Form eskalierte. Er enthält sich weitgehend einer moralischen Einordnung.
Er beleuchtet konkrete Situationen des Aufeinandertreffens der Konfliktparteien
und bettet sie in einen größeren Kontext ein, unter anderem
in Hinblick auf die Konstitution der beteiligten Gruppen und in Hinblick
auf die mediale Deutung des Geschehens.
Der Bericht fasst die ersten Ergebnisse eines Forschungsprojektes zusammen,
an dem über acht Monate mehr als 20 Gewalt-, Protest- und Polizeiforscher*innen
mitgewirkt haben. Er beruht auf einer Vielzahl unterschiedlicher Quellen:
Interviews mit Beteiligten, Dokumente, Filmaufnahmen und Fotografien,
die Kommunikation auf Twitter und die Berichterstattung in ausgewählten
Tageszeitungen, Beobachtungsprotokolle aus der Protestwoche und danach.
Die Analyse gliedert sich in drei Teile.
(1) Die Ausgangskonstellation, in der sich die unmittelbar Beteiligten, Polizei
und Protestierende, auf die Protestwoche einstellen und prägende Grundkonflikte
sichtbar werden.
(2) Schlüsselsituationen, in denen Konflikte ausgetragen werden und die
Muster der Eskalation im Kleinen sichtbar machen.
(3) Die mediale Deutung und Formung der Ereignisse, über die der Fokus
auf „Gewalt“ verstärkt und die jeweils eigene Wahrnehmung bestätigt wird.
Für die Analyse der Entstehung von Gewalt ist der Fall ein eindrückliches
Beispiel für die Verkettung von Ereignissen ebenso wie für die Eigendynamik
situativer Konfrontationen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Planungen,
Erwartungen und Entscheidungen der Handelnden keine Rolle
spielen würden. Die Dynamik des Geschehens verwirklicht sich, im Gegenteil,
gerade darin, dass die Beteiligten in der Verflechtung ihrer Handlungen
ihre Kalkulationen verändern und Situationsdeutungen entwickeln,
welche Gewalt möglich oder notwendig erscheinen lassen.
%C DEU
%C Berlin
%G de
%9 research report
%W GESIS - http://www.gesis.org
%~ SSOAR - http://www.ssoar.info