Märkte, Biografien, Storytelling: Gelingen und Scheitern beim Aufbau von Marktidentitäten

Abstract

Die Marktsoziologie hat dargelegt, dass Märkte grundlegend in soziale Strukturen eingebettet sind. Allerdings wurden bisher Biografien als relevante Kontexte marktlicher Einbettung wenig beachtet. So bleibt beispielsweise offen, wie biografische Erfahrungen Markthandeln beeinflussen und wie dieses im Gegenzug biografisch verarbeitet wird. Der vorliegende Artikel setzt hier an. Er leistet einen konzeptionellen und einen empirischen Beitrag: Konzeptionell zeigt er im Anschluss an die Theorie von Harrison C. White, wie sich im Schnittfeld von Märkten und personalen Styles ("Biografien") Marktidentitäten ausbilden. Marktidentitäten sind labile Konstrukte, die permanent ihre Anschlussfähigkeit an die Märkte und Biografien sicherstellen müssen, die sich in ihnen kreuzen. Empirisch präsentiert der Beitrag zwei Fallstudien von Selbständigen ohne Angestellte (sog. Solo-Selbständigen), eine auf dem Markt für künstlerische Fotografie und eine auf dem Markt für Nahrungsergänzungsmittel. Die Beispiele zeigen anhand von extremen Fällen, wie der Aufbau von Marktidentitäten scheitern und gelingen kann. Das hier vorgeschlagene Konzept der fragilen Marktidentitäten erschließt der Marktsoziologie eine weitere Dimension der Einbettung von Märkten in soziale Strukturen. Biografien sind zugleich Quellen von Markthandeln und Bezugskontexte, in denen Markterfahrungen aufgegriffen werden. (Autorenreferat)

Market sociology has shown how markets become embedded in wider social structures. So far, however, little attention has been paid to biographies as relevant market contexts. Among other things it remains unclear how biographical experiences affect market behavior and how market experiences, in turn, become enmeshed with biographies. In the present article I address such questions. It offers theoretical and empirical insights. Theoretically, I draw on Harrison C. White's sociology to argue that market identities emerge at the intersection of biographies (i.e., personal styles) and markets and they become embedded in these contexts via telling stories. Market identities are fragile. They maintain their relative autonomy only by showing how they are similar to and different from markets and personal styles. I present two extensive case studies of persons, who are self-employed as photographer and distributor of food supplements, respectively. These case studies demonstrate how establishing market identities may fail or succeed. Overall, the concept of fragile market identities opens a route to investigating biographies as relevant contexts of market behavior. Biographies are at the same time sources and points of reference for market participants. (author's abstract)