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@article{ Krähnke2006,
 title = {"Für mich war wichtig, dass ich irgendwie dazu gehörte": die Fallstruktur der MfS-Mitarbeiterin Frau Dorsch},
 author = {Krähnke, Uwe and Finster, Matthias},
 journal = {BIOS - Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen},
 number = {1},
 pages = {143-160},
 volume = {19},
 year = {2006},
 issn = {0933-5315},
 urn = {https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-456808},
 abstract = {Die Einzelfallanalyse, auf der der Beitrag basiert, ist das Ergebnis einer Pilotstudie, die sich einer sozialwissenschaftlichen Aufklärung der Staatssicherheit-Vergangenheit verpflichtet fühlt. Gegenstand dieser Analyse ist die (erzählte) Biographie einer MfS-Mitarbeiterin. Die zentrale Fragestellung lautet: Warum und wie war sie fast drei Jahrzehnte für den DDR-Geheimdienst tätig? Hierbei liegt der Untersuchungsfokus einerseits auf dem biographischen Verlauf, auf Motivations- und Handlungsstrukturen sowie auf normativen Orientierungsmustern und kulturellen Wertvorstellungen. Andererseits interessiert, ob die Staatssicherheit bestimmte Gelegenheitsstrukturen bot, die von der Person als Realisierungsmöglichkeit ihres Lebensentwurfes, respektive Konzepts der Lebensführung, wahrgenommen wurde. Das eigene Lebensarrangement von Frau D. und die vorgegebene Gelegenheitsstruktur des DDR-Geheimdienstes werden bei der Analyse gewissermaßen als zwei Seiten ein und derselben Medaille angesehen. Erst durch die Rekonstruktion, wie diese beiden Aspekte zusammenpassen, ergibt sich die Fallstruktur der MfS-Mitarbeiterin Frau D. Die Einzelfallanalyse wurde auf der Grundlage der objektiven Hermeneutik durchgeführt. Erst über das selbstdisziplinierende Handeln der Akteure können sich, so die Annahme der Autoren, die Organisationsstruktur und Funktionslogik des Geheimdienstapparates dauerhaft reproduzieren. Die MfS-Mitarbeit erforderte mehr als reine Gehorsamspflicht und konformes Rollenverhalten. Es musste die gesamte Person institutionell eingebunden sein. Der Untersuchungsfokus der objektiven Hermeneutik ist nicht darauf gerichtet, was jemand selbst mit seiner Äußerung intendiert, gefühlt oder gemeint haben könnte. Anstatt einer Fallbeschreibung, die sich auf Vermutungen über die subjektive Innenwelt gründet, soll die Fallstruktur auf übersubjektiv existierende (d.h. objektive) Sinn- bzw. Bedeutungsstrukturen zurückgeführt werden. Äußerungen, Handlungen und Interaktionen von Individuen weisen kollektiv geteilte, aber latente Regeln und Bedeutungen auf, die sich rekonstruieren lassen. Im Rahmen der objektiven Hermeneutik wird davon ausgegangen, dass jene latenten Sinn- und Bedeutungsstrukturen den Rahmen für das Handeln der Individuen bilden. Rekonstruierbar seien sie insofern, als sie sich in deren Äußerungen "niederschlagen". Die im Beitrag vorgenommene Charakterisierung markiert die spezifische Fallstruktur der MfS-Mitarbeiterin. Es handelt sich also um eine konkret gelebte Möglichkeit, wie jemand unter den gesellschaftlichen Bedingungen in der DDR zu einem langjährigen Mitarbeiter des MfS werden konnte. Es lassen sich aber durchaus Anhaltspunkte dafür finden, dass in diesem Fall etwas Typisches strukturell angelegt ist. Ein zentraler Anhaltspunkt für die Verallgemeinerbarkeit der Untersuchungsergebnisse ist die individuelle Wohlstandsorientierung als Motivstruktur für die Tätigkeit im DDR-Geheimdienst. Zumindest kann angenommen werden, dass Frau Dorsch in dieser Hinsicht keine Ausnahme darstellt. Selbst die spezifische Ausprägung - das Streben nach sozialer Anerkennung und emotionaler Geborgenheit, nach materiellem Versorgtsein und einem adäquaten Bildungsstand - ist ein verbreitetes Phänomen ihrer Generation. Der Verweis auf die allgemeinen Merkmale der Kriegskindgeneration verdeutlich noch einmal das primäre Erkenntnisinteresse der Untersuchung. Letztlich geht es bei dieser Analyse nicht um die vorgestellte Einzelbiographie an und für sich. Vielmehr sollen typische Aspekte herausgearbeitet werden, die sich in diesem konkreten Fall manifestieren. Die Einzelbiographie von D. wird interpretiert als eine generalisierbare Möglichkeit, wie unter den gesellschaftlichen Bedingungen in der DDR ein Leben in der totalen Institution Staatssicherheit tatsächlich Realität werden konnte. (ICG)},
 keywords = {DDR; German Democratic Republic (GDR); Vergangenheitsbewältigung; coming to terms with the past; Hermeneutik; hermeneutics; SED; Socialist Unity Party of Germany (GDR); Karriere; career; Ministerium für Staatssicherheit; Ministry of State Security (GDR); Motivation; motivation}}