Endnote export

 

%T Architektur als Konstruktion sozialer Naturwüchsigkeit: das Berliner Reichstagsgebäude als Beispiel baulicher Körpermetaphorik
%A Dauss, Markus
%E Rehberg, Karl-Siegbert
%P 5870-5878
%D 2008
%I Campus Verl.
%@ 978-3-593-38440-5
%= 2010-10-01T15:22:00Z
%~ DGS
%> https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-153718
%X "Die Rede von der Architektur als 'Natur der Gesellschaft' bedeutet einen Grenzgang: Sie ist nur solange unbedenklich, wie reflexiv-distanzierendes Eingedenken den Konstruktionscharakter dieser Metaphorik transparent macht. Vielfach soll allerdings die Artifizialität architektonischer Konstruktionen intentional vergessen gemacht werden, um nicht nur das architektonische Werk, sondern auch die sich darin 'verkörpernde' Gesellschaftsformation mit apologetischer Absicht zu naturalisieren und deren zentrale institutionelle Arrangements darüber mit mythischer (Barthes) Unangreifbarkeit zu versehen. Vor allem über metaphorische Konzepte von symbolischer 'Verkörperung' institutioneller Gefüge als besondere Form der Präsenzmachung gesellschaftlicher Formationen soll dabei eine unmittelbare Essentialität suggeriert werden und sozialen Ordnungsansprüchen direkt anschauliche Evidenz verliehen werden. Als Zuspitzung architektonischer Körpermetaphorik werden Geschlechtermetaphoriken eingesetzt, um als Musterform vermeintlicher 'Naturwüchsigkeit' überzeitliche Stabilität zu suggerieren und die stereotype Erkennbarkeit von Ordnungsarrangements zu sichern. Insbesondere in monumentalen öffentlichen Bauten des 19. Jahrhunderts haben derartige Naturalisierungsentwürfe des Sozialen Gestalt angenommen. Sie stellen damit die Gegenfolie zur postmodernen Dekonstruktion dar, die artistische Künstlichkeit und Durchbrechung vermeintlich 'natürlicher' oder sogar 'metaphysisch' begründeter Ordnungsmuster baulich ausstellt. Exemplarisch lässt sich dies mit Blick auf ein zentrales Bauwerk der Deutschen Parlamentsarchitektur, den Berliner Reichstagsbau, verdeutlichen. Folgende Grundthesen sollen im Vortrag valide gemacht werden: Nach dem Umbau durch Lord Norman Foster stellt das Gebäude historische Versehrungen seiner Einheitlichkeit zwar wie Narben bzw. Stigmata oder als musealisierte Inszenierung bewusst aus, verweist durch gezielte Verfemdungseffekte auf die Künstlichkeit seiner Konstruktion und, so der Anspruch, die grundsätzliche Kontingenz der es tragenden politischen Bedingungen. Im Kaiserreich aber wurde das Monument vielfach als bauliche Inkarnation, als eine ins Architektonische umcodierte Vitalform der selbst metaphorisch als 'Körper' überhöhten Nation gedeutet. Die neu errungene, lang 'erträumte' politische Einheit des im imperialen Nationalstaat zusammengefassten Kollektivs sollte, einem Naturereignis analog, materiell anschaulich gemacht werden. Exzessiv und in häufig artistischer Verknüpfung kamen daher im zeitgenössischen Deutungsdiskurs emphatische Körper- und Gendermetaphern zum Einsatz, um ein doppeltes, symbolisches und institutionelles, Problem, aufzufangen: Die auffallende stilistische Heterogenität des eklektizistischen Baus und die zentrifugalen Kräfte des auf föderaler Grundlage beruhenden Reichsgebildes bedrohten den baulichen sowie politischen Einheitsmythos, in dem die Institution des Parlements selbst, die im Bau doch ansässig werden sollte, konsequenter Weise kaum einen Platz fand." (Autorenreferat)
%C DEU
%C Frankfurt am Main
%G de
%9 Sammelwerksbeitrag
%W GESIS - http://www.gesis.org
%~ SSOAR - http://www.ssoar.info