Download full text
(176.1Kb)
Citation Suggestion
Please use the following Persistent Identifier (PID) to cite this document:
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-153514
Exports for your reference manager
Einladung zum Schattenboxen: die Soziologie und die moderne Biologie
Invitation to shadow boxing: sociology and modern biology
[collection article]
Corporate Editor
Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS)
Abstract "Die moderne Biologie, speziell Genetik und Neurobiologie, scheinen die handlungstheoretische Basis der Soziologie in Frage zu stellen. Widerlegen ihre neuesten Ergebnisse tatsächlich Axiome, deren Fortfall das soziologische Theoriegebäude einstürzen ließe? Diese Axiome beziehen sich auf unser Mensc... view more
"Die moderne Biologie, speziell Genetik und Neurobiologie, scheinen die handlungstheoretische Basis der Soziologie in Frage zu stellen. Widerlegen ihre neuesten Ergebnisse tatsächlich Axiome, deren Fortfall das soziologische Theoriegebäude einstürzen ließe? Diese Axiome beziehen sich auf unser Menschenbild. Diesem Menschenbild zufolge hat der im Prozess primärer und sekundärer Sozialisation geprägte Akteur sozial-kulturell geformte Präferenzen, die sein Handeln leiten, er ist offen für seine Umwelt und reproduziert in seinem Handeln kulturell vorgegebene Muster. Die moderne Genetik scheint das Verhältnis zwischen Natur und Umwelt, nature and nurture in der Bestimmung des menschlichen Handelns zugunsten der Natur zu verschieben. Bei genauerer Betrachtung bestätigt sich jedoch, dass der handelnde Mensch, der Mensch der Soziologie ganz überwiegend ein Produkt der Sozialisation in eine historisch geformte Gesellschaft hinein ist. Die Genetik definiert lediglich die äußerste Grenze sozio-kultureller Formbarkeit. Die Hirnforschung stellt den autonomen Akteur in Frage und macht Bewusstsein zum Epiphänomen organisch-neurologischer Prozesse. Für die Soziologie ist der freie Wille jedoch niemals notwendiges handlungstheoretisches Axiom gewesen. Für Vilfredo Pareto wird menschliches Handeln sogar ausdrücklich von unbeobachtbaren bio-psychischen Zuständen angetrieben. Nicht ob Menschen bewusst handeln, sondern nach welchen - bewussten oder unbewussten - Regeln sie es tun, ist soziologisch relevant. Dabei hat die Hirnforschung selbst festgestellt, dass die ins erwachsene Gehirn einprogrammierten Reaktionstendenzen nicht genetisch determiniert sind, sondern in Interaktion mit der Umwelt 'gelernt' oder zumindest verstärkt oder gehemmt werden. Die nachgewiesene Plastizität des Gehirns bannt die Gefahr des neurologischen Determinismus, und auch inhaltlich stellen die neu entdeckten, neurophysiologisch verankerten Reaktionstendenzen die von Soziologen benutzte Handlungstheorie nicht in Frage. Die Soziologie braucht und benutzt lediglich ein stilisiertes Modell des Menschen: Der homo sociologicus ist ein höchst selektives Konstrukt. Das intellektuelle Schattenboxen mit der modernen Biologie fördert keinen Widerspruch zu fundamentalen soziologischen Axiomen zutage." (Autorenreferat)... view less
Keywords
research; sociology; brain; Pareto, V.; neurology; construct; action theory; socialization; nature; sociological theory; genetics; human being; biology; image of man; research approach; sociocultural factors; natural sciences; environment; action orientation; neural network
Classification
General Concepts, Major Hypotheses and Major Theories in the Social Sciences
General Sociology, Basic Research, General Concepts and History of Sociology, Sociological Theories
Method
epistemological; basic research
Collection Title
Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Teilbd. 1 u. 2
Editor
Rehberg, Karl-Siegbert
Conference
33. Kongress "Die Natur der Gesellschaft". Kassel, 2006
Document language
German
Publication Year
2008
Publisher
Campus Verl.
City
Frankfurt am Main
Page/Pages
p. 125-139
ISBN
978-3-593-38440-5
Status
Published Version; reviewed
Licence
Deposit Licence - No Redistribution, No Modifications