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%T Perspektiventriangulation als qualitativ-methodisches Prinzip in der psychiatriehistorischen Autobiographieforschung
%A Brückner, Burkhart
%E Rehberg, Karl-Siegbert
%P 1602-1609
%D 2008
%I Campus Verl.
%@ 978-3-593-38440-5
%= 2010-10-01T15:17:00Z
%~ DGS
%> https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-152544
%X "Der Vortrag beschreibt ein Konzept zur Analyse von historischen, autobiographischen Dokumenten, in denen die Autoren über selbst erlebte Erfahrungen des 'Deliriums' und des Wahns berichten. Grundlage ist eine aktuelle Studie (Brückner 2006) über 121 Fälle von psychischen Grenzerfahrungen aus dem europäischen Raum seit der Antike bis 1900. Das methodische Design soll vorgestellt werden und wird mit Fallvignetten aus dem 18. und 19. Jahrhundert illustriert. Im Zentrum steht eine methodologisch und kulturhistorisch begründete Argumentation für die Realisierung der Subjektperspektive in der Psychiatriegeschichte. Die medizingeschichtliche Biographieforschung zielt traditionell entweder auf die Viten 'großer' Ärzte oder auf die Pathographien 'berühmter' Persönlichkeiten. Erst in den letzten 25 Jahren haben sich auch patientengeschichtliche Untersuchungen durchgesetzt (vgl. Porter 1987). Um die Sichtweise der historischen Subjekte von Krankheitserfahrungen zu erschließen, bieten sich Selbstzeugnisse und persönliche Dokumente als empirisches Material an. Mit dem inhaltlichen Fokus auf das Gebiet der Psychosen und speziell auf die Erfahrung des Wahns, kann die Perspektiventriangulation zum kritischen Leitprinzip einer gültigen und zuverlässigen Auswahl der subjektiven Texte werden. Im Kern handelt es sich um eine qualitative Stichprobenziehung; charakteristisch dafür ist die ständige Verfeinerung der Auswahlkriterien im laufenden Forschungsprozess durch die Wechselwirkung zwischen Einzelfallrekonstruktion, Hypothesenbildung und Stichprobenerstellung. Am Anfang stehen begriffsgeschichtliche Untersuchungen: Wahnphänomene wurden vor dem 19. Jahrhundert noch nicht mit dem heute geläufigen, psychiatrischen Wahnbegriff bezeichnet, sondern seit dem 16. Jahrhundert mit dem umfassenden Begriff des 'Deliriums'. Zu kurz griffe nun eine Selektion des Materials am Maßstab von heutigen diagnostischen Kriterien (retrospektive Diagnostik) oder aber allein am Maßstab der früheren historischen Begrifflichkeiten, ersteres würde die historischen Bedeutungsgehalte 'präsentistisch' unterschlagen, letzteres würde Erkenntnisfortschritte 'kontextualistisch' nivellieren. Demgegenüber gilt es, die Sichtweise der Autoren, das Urteil ihrer nahen Zeitgenossen und die heute möglichen Interpretationen systematisch zu vergleichen, um entscheiden zu können, ob ein Text relevante Passagen enthält und damit zur Stichprobe gehört oder nicht. Die Quellen sollten zudem weiteren Gütekriterien genügen. Die Untersucherperspektive geht als Expertenperspektive in die Beurteilung ein. Dabei kommt es nicht darauf an, zu entscheiden, ob eine bestimmte Person tatsächlich krank war, sondern darauf, entsprechende Hypothesen methodengeleitet zu produzieren und die Kriterien zu explizieren. Auf diese Weise kann eine heterogene Vorauswahl von fraglichen Texten in eine vergleichbare Stichprobe überführt werden, die dann weiter untersucht werden kann, etwa hinsichtlich der sozialen Bedingungen des Schreibens, der subjektiven Krankheitstheorien der Autoren, ihres Sprachverhaltens oder ihrer Bezüge auf die zeitgenössische Theoriebildung." (Autorenreferat)
%C DEU
%C Frankfurt am Main
%G de
%9 Sammelwerksbeitrag
%W GESIS - http://www.gesis.org
%~ SSOAR - http://www.ssoar.info